Mathematik
Mathematical Research
In den letzten Jahrzehnten ist die Komplexität der Herausforderungen für die Industrie zunehmend gestiegen, sodass die konkrete Anwendung mathematischer Methoden in vielen Bereichen zwingend erforderlich geworden ist. Die TWT investiert bereits seit ihrer Gründung 1986 in die Entwicklung der Mathematik. Die Fachgruppierung Mathematical Research, bestehend aus über 30 Mathematiker:innen und Mathematikinteressierten, dem Mathematik Circle, trägt dieser Tatsache in mehrfacher Hinsicht Rechnung. Durch die breit gestreute Expertise der Mitarbeitenden bieten wir Fachwissen aus allen großen Bereichen der Mathematik, wie z.B. Analysis, Algebra, Zahlentheorie, Numerik, Stochastik, Data Analytics und Operations Research. Dieses Wissen nutzen wir unter anderem zur Untersuchung und Lösung grundlegender mathematischer Fragestellungen auf höchstem akademischem Niveau. Die so gewonnenen Erkenntnisse nutzen wir dann im Sinne des technisch-wissenschaftlichen Transfers, um unsere Kunden in den immer komplexer werdenden ingenieurwissenschaftlichen, physikalischen und technischen Problemstellungen den notwendigen Vorsprung zu schaffen, der die Wettbewerbsfähigkeit in der Industrie der Zukunft sichert. Damit wir diesem Anspruch gerecht werden können, pflegen wir ein stetig wachsendes Netzwerk zu führenden Instituten und Professor:innen auf der ganzen Welt, welche uns aktiv bei unseren Projekten beraten und unterstützen. Hierzu gehören unter anderem ehemalige TWT-Kolleg:innen, die dem Ruf zurück an die Hochschule gefolgt sind.
Mathematische Grundlagenforschung beschäftigt sich mit abstrakten Fragestellungen, die oftmals auf den ersten Blick keine direkte Anwendung in Industrieprojekten haben. Die Bedeutung der mathematischen Grundlagenforschung liegt vorallem in der Entwicklung neuer Methoden und der Erweiterung des vorhandenen Wissens. Das volle Potential dieser Forschungsergebnisse wird vielfach erst später und sehr oft auf überraschende und unvorhergesehene Weise ausgeschöpft. In diesem Sinn ist die mathematische Grundlagenforschung ein wichtiger Beitrag für zukünftige Innovationen.
Primzahlen und Fraktale
Mathematiker sind schon seit jeher fasziniert von dem Phänomen der Primzahlen. Ein spezieller Aspekt dieser besonderen Zahlen ist dabei ihre Verteilung innerhalb der positiven reellen Zahlen. Dazu wird die Funktion π(x), definiert, die jeder reellen Zahl x die Anzahl π(x) der Primzahlen p angibt, für die gilt p ≤ x. Eine erste Abschätzung konnten 1896 unabhängig voneinander 1896 Jacques Salomon Hadamard und Charles-Jean de La Valée Poussin zeigen: π(x) verhält sich für x gegen unendlich wie x/ln(x). Nach eigener Erinnerung hatte Carl Friedrich Gauss dieselbe Vermutung schon 1792 bzw. 93 aufgestellt. Eine Verbesserung dieser Abschätzung gelingt durch das Eulersche logarithmische Integral Li(x)=∫dt/ln(t), welches von 2 bis x integriert wird. Diese Vermutung wurde als erstes von Carl Friedrich Gauß 1849 in einem Brief an Encke erwähnt und von Legendre 1798 formuliert.
Eine Beweisskizze dieser Vermutung beschrieb Terrence Tao im Jahr 2007 in seiner Vorlesung „Structure and randomness in the prime numbers“, die man als Musik der Primzahlen bezeichnen könnte: Man wendet die von Mangoldt Funktion an, die auf Nicht-Primzahl(potenzen) verschwindet und macht die so entstehende „Töne“ hörbar durch Anwenden der Fourier-Transformation.
Ganz im Geiste dieser Skizze wird hier die Zeichnung eines Bildes der Primzahlen angestrebt, dessen Ergebnis rechts dargestellt ist. Dies geschieht, indem ein weiterer Zugang zur Approximation der Primzahl zählenden Funktion π(x) verfolgt wird, der auf einer additiven Funktion beruht. Zusammen mit Fourier-Polygonen, die im Kontext von regularisierenden Polygontransformationen zur Anwendung kommen, können fraktale Primzahlpolygone and fraktale Primzahlkurven abgeleitet werden.
Eine ausführliche Darstellung der Zusammenhänge und alle präzisen Zitate finden sich in:
Dimitris Vartziotis, Joachim Wipper: The fractal nature of an approximate prime counting function, https://arxiv.org/abs/1611.01949 |
Zahlentheorie
Ein aktuelles Projekt aus der Grundlagenforschung bei TWT beschäftigt sich mit der Symmetrie von endlichen Summen von komplexen Exponentialfunktionen. Die Exponentialfunktion ist von fundamentaler Bedeutung in der Mathematik und tritt zum Beispiel als elementarer Baustein in Fourierreihen auf. Interpretiert man nun den Graphen einer komplexen Exponentialfunktion als parametrisierte Kurve, so ergibt sich der Einheitskreis. Addiert man aber mehrere verschiedene, komplexe Exponentialfunktionen, so entstehen faszinierende Graphen deren Symmetrie von den erzeugenden Parametern abhängt. In der aktuellen Arbeit konnten die Symmetriegruppen dieser Graphen in Abhängigkeit der erzeugenden Parameter bestimmt werden.
PAUSINGER, Florian; VARTZIOTIS, Dimitris. On the symmetry of finite sums of exponentials. Elemente der Mathematik, 2021, 76. Jg., Nr. 2, S. 62-73, |
Spieltheorie
Typischerweise findet die Spieltheorie in der Wirtschaft Anwendung. Die Frage des Zeitpunkts und des Preises eines Produktes bei Markteinführung oder die Identifikation von Machtverhältnissen sind klassische Probleme. In einem konkreten Auftrag haben wir beispielsweise bereits unseren Kunden darin beraten, wie die Vergabe von Projekten an externe Partner ideal verteilt wird, unter Berücksichtigung von mehreren internen Stakeholdern mit eigenen Prioritäten bezüglich der Vergabe. Hierbei haben wir uns insbesondere für das Entscheidungsoptimum interessiert, aber auch für die wahrscheinlichen Verhaltensmuster der Stakeholder, um so optimale Strategien herleiten zu können.
Seit einigen Jahren werden die spieltheoretischen Methoden auch vermehrt in anderen Bereichen eingesetzt, wie beispielsweise der Routenplanung. Auch wir sind interessiert daran, die Spieltheorie auf akademischen Niveau weiterzuentwickeln und damit in neue Gebiete vorzudringen, wie diese veröffentlichte Forschungsskizze zeigt:
VARTZIOTIS, Dimitris; BOHNET, Doris; HIMPEL, Benjamin. Smoothing Game. arXiv preprint arXiv:2010.04956, 2020, https://arxiv.org/abs/2010.04956.
Um Netze für Finite-Elemente-Simulationen zu verbessern, müssen sie geglättet werden, indem die Knoten verschoben werden. Wir wollen einen neuen Glättungsansatz einführen, indem wir jedes geometrische Element als Spieler in einem Spiel behandeln: ein Streben nach der besten Elementqualität. Mit anderen Worten, jeder Spieler hat das Ziel, so regelmäßig wie möglich zu werden.
Optimierung und Graphentheorie
In der Praxis müssen oft relevante Kennzahlen zu einem Prozess oder Modell verbessert werden. Wir verwenden modernste Algorithmen aus der ableitungsfreien, globalen, KI-unterstützen oder auch nichtlinearen Optimierung. Unabhängig davon, ob das Problem diskret oder kontinuierlich ist, wir untersuchen es auf Lösbarkeit und schlagen Ihnen robuste Algorithmen vor. Ein Beispiel findet sich in unserem Produkt Veris® (Link: https://twt-innovation.de/en/produkte ) welches unter anderem Optimierung in der Routenplanung durchführt. In diesem Umfeld führen wir Forschung im Bereich der Quantenalgorithmen durch, welche wir unter anderem auf dem Digital Product Forum 2022 bei Mercedes-Benz vorgestellt haben:
Mit Cubic AI (https://cubicai.twt-gmbh.de/home) bringen wir zusätzlich die Optimierung von hochkomplexen Systemen auf ein ganz neues Level. Fast wie bei einem Flaschengeist können Sie sich das Verhalten ihres Systems wünschen und die moderne KI ermittelt in Echtzeit die Bestapproximation zu ihrer Vorgabe unter Berücksichtigung der physikalischen Limitierungen. Cubic AI wurde ebenfalls auf dem Digital Product Forum 2022 vorgestellt.
Numerische Methoden
Sie arbeiten mit komplexen physikalischen Prozessen? Wir simulieren sie unter Verwendung von neuesten numerischen Algorithmen aus der Welt der Mehrkörpersimulation, Strömungsdynamik und anderen, unter Verwendung von künstlicher Intelligenz zur Simulationsbeschleunigung. Für einen unserer Kunden haben wir beispielsweise untersucht, warum ihr verwendeter Löser für ein hochdimensionales Gleichungssystem, entstanden aus einer Bremssimulation, in bestimmten Szenarien keine Lösung findet. Das komplexe Modell, welches unter anderem unstetige Gleichungen beinhaltet hat, wurde so angepasst, dass unter Verwendung einer geeigneten Lösungsstrategie das Gleichungssystem bei physikalisch relevanten Parametern gelöst werden konnte.
Ein weiteres Beispiel für die wegweisende Anwendung numerischer Methoden, insbesondere im Bereich der finiten Elemente, finden sich in unserem Produkt GETMe, der Geometric Element Transformation Method.
Im Fokus: GETMe - Geometric element transformation
Qualitativ hochwertige Netze spielen bei vielen Anwendungen, die auf digitaler Modellierung und Simulation basieren, eine Schlüsselrolle. Die Finite-Elemente-Methode ist ein Paradebeispiel für einen solchen Ansatz, und es ist bekannt, dass hochwertige Netze die Berechnungseffizienz und Lösungsgenauigkeit dieser Methode erheblich verbessern können. Daher wurde viel Arbeit in Methoden zur Verbesserung der Netzqualität investiert. Diese reichen von einfachen geometrischen Ansätzen wie der Laplace-Glättung, die eine hohe Recheneffizienz, aber möglicherweise eine geringe Netzqualität zur Folge haben, bis hin zu globalen optimierungsbasierten Methoden, die zu einer ausgezeichneten Netzqualität auf Kosten einer erhöhten Rechen- und Implementierungskomplexität führen.
Die Methode der geometrischen Elementtransformation (GETMe) schließt die Lücke zwischen diesen beiden Ansätzen.
Sie basiert auf geometrischen Netzelementtransformationen, bei denen polygonale und polyedrische Elemente iterativ in ihre regulären Gegenstücke oder in Elemente mit einer vorgegebenen Form transformiert werden. GETMe kombiniert eine der Laplace-Glättung ähnliche Berechnungseffizienz mit einer Effektivität, die an globale Optimierungsmethoden heranreicht.
GETme als wegweisendes Verfahren ist mittlerweile im Bereich der Netzglättung nicht mehr wegzudenken und findet in der einschlägigen Literatur immer größere Beachtung:
„A breakthrough was made when Vartziotis et al. (2008) proposed the GETMe method, which is purely a geometric process to move the nodes of a triangle so as to improve its quality. (…) GETMe is the most interesting node-smoothing scheme as it is purely geometric in nature in transforming elements into regular forms without a direct link to shape quality measure. It is robust in removing inverted and poorly shaped elements rapidly and is consistent in diverse applications to produce quality meshes.“ |
Eine Open-Source Implementierung von GETMe ist auf Github verfügbar: https://github.com/twt-gmbh/getme
Eine ausführliche Beschreibung der mathematischen Theorie sowie numerische Studien zu GETMe finden sich im Buch
VARTZIOTIS, Dimitris; WIPPER, Joachim. The GETMe mesh smoothing framework: A geometric way to quality finite element meshes. CRC Press, 2018, |
und den dazugehörigen Publikationen, wie beispielsweise
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Data Science
Auch das brandaktuelle Thema Data Science ist bei uns vertreten. Mit unserem TWT-Produkt ZAMRIS bieten wir eine Qualitätssicherungsframework, welches neben einer intuitiven Bedienoberfläche und einem professionellen Qualitätsregelmanagement Machine-Learning-Algorithmen zur Qualitätssicherung bietet. Dabei wird eine intelligenten Zeitreihenanalyse beliebiger Datensätze mittels Machine Learning und Pattern Recognition durchgeführt. ZAMRIS lässt sich sowohl als eigenständige Anwendung nutzen als auch in bestehende Simulationsprozesse einbinden und ermöglicht so eine effiziente und qualitätsgesicherte Entwicklung auch bei einer steigen Anzahl an zu untersuchenden Varianten.
Der Einsatz von Data Science ist auch in unseren Forschungsprojekten relevant. So wird beispielsweise in OPsTIMAL (www.opstimal.de) ganzheitlich der Flugverkehr aus Sicht des Luftfahrtunternehmens optimiert. Aber auch in anderen Projekten setzen wir moderne Tools wie Bilderkennung mit Convolutional Neural Networks, selbstlernende neuronale Netze oder Zustandsschätzung mit Kalman-Filter ein.
Das Ziel des KARLI-Projekts ist die Entwicklung einer adaptiven, responsiven und levelkonformen Interaktion im Fahrzeug der Zukunft. Dafür werden in KARLI kundenrelevante KI-Funktionen entwickelt, die für unterschiedliche Stufen auf dem Weg zum automatisierten Fahrzeug (Automationslevel) Fahrerzustände erfassen und Interaktionen gestalten.
Diese KI-Funktionen werden in KARLI aus empirischen und synthetisch erzeugten Daten entwickelt. Die Daten werden in KARLI so erhoben und verwendet, dass die Projektergebnisse skalierbar auf zukünftig verfügbare Big Data aus Serienfahrzeugen sind.
Grenzen sprengen
„Die Mathematik vergleicht die verschiedensten Phänomene und entdeckt die geheimen Analogien, die sie verbinden“. – Joseph Fourier, französischer Mathematiker und Physiker |
Frei nach diesem Zitat versuchen auch wir ständig neue Verbindungen zwischen Phänomenen oder Modellen zu finden, die augenscheinlich keinen Zusammenhang haben. Hätten Sie, zum Beispiel, gedacht, dass es eine direkte Analogie zwischen der Transformation von Dreiecksnetzen in einem CAD-Modell und der Platzierung von sogenannten Quantentöpfen im Umfeld des Quantencomputings gibt? Diese und weitere Analogien untersuchen wir, um Erkenntnisse aus einem Bereich auf einen anderen zu übertragen und mehr Verständnis für die dem Problem inhärente Struktur zu erhalten. Wenn Sie sich für dieses Thema interessieren, lesen Sie gerne die folgende Publikation:
VARTZIOTIS, Dimitris; HIMPEL, Benjamin; PFEIL, Markus. Creation of higher-energy superposition quantum states motivated by geometric transformations. arXiv preprint arXiv:1712.07963, 2017, https://arxiv.org/abs/1712.07963. |
Wir schlagen einen Weg zur Erzeugung von Überlagerungszuständen höherer Energie in einem zirkulären System von Quantentöpfen vor. Dies ist inspiriert durch eine Verbindung zu Konvergenzergebnissen für geometrische Transformationen von Polygonen mit zirkulanten hermiteschen Matrizen.
Kontakt
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Für Forschungskooperationen oder Industrieprojekte im Bereich Mathematik kontaktieren Sie uns gerne unter mathematics@twt-gmbh.de.